Illegale Farben

Interview – “Wir fangen also erstmal bei uns an, bevor wir über andere urteilen…” – mit Thom von ILLEGALE FARBEN

Bereits im letzten Jahr durfte ich die ILLEGALE FARBEN kurz nach der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten ersten Albums im Druckluft in Oberhausen live erleben und nun steht bereits das neue Album „Grau“ in den Startlöchern. Ein guter Anlass Sänger Thom mal zur neuen Scheibe, zur Kreativität der Kölner und zu dem einen oder anderen mehr zu befragen.

Na dann mal Augen auf und ab dafür!

 

Hallo Thom… und erstmal vielen Dank dafür, dass du dich ein paar Minuten für uns freischaufeln konntest! Wo habe ich dich denn jetzt gerade weggeholt?
Irgendwo zwischen Arbeit, Vorbereitung der Special Edition von “Grau” und dem Videodreh für die zweite  Single. Das soll jetzt nicht pseudo-wichtig klingen, das sind halt die Sachen die wir gerade noch fertig machen müssen, bevor das Album erscheint.

Neulich erst habe ich mal wieder euer erstes Album „Illegale Farben“ begeistert gehört, da steht für den 13.10. schon die nächste Veröffentlichung an. Mangelnde Kreativität kann man euch nicht vorwerfen, oder? Wie kam’s?
Das war ein Selbstläufer, wir haben das erste Album recht schnell geschrieben und aufgenommen und erst dann richtig angefangen live zu spielen. Da hat sich dann die Band nochmal weiter ausdifferenziert und mit der Energie wollten wir schauen, wohin uns ein zweites Album führt und ob wir ein relevantes, zweites Album hinbekommen. Wir haben uns zusammengesetzt, ein paar Regeln aufgestellt, die den Rahmen für das neue Album abgesteckt haben und damit angefangen Songs zu schreiben. Unterwegs haben wir aber auch das eine oder andere Mal gemerkt, dass wir uns ein ganz schönes Tempo verordnet haben und das hat dann schon auch für Reibung gesorgt.

Ich bin wahrscheinlich einer von Wenigen, die bisher in „Grau“ reinhören durfte und mir fällt es schwer so lange zu warten, bis alle anderen auch in den Genuss kommen. Magst du mal ein paar Worte über die neue Scheibe sagen?
Grau” war eins der Alben, die wir machen könnten. Wir hatten insgesamt noch mehr neue Songs aber haben uns dann dafür entschieden, die Songs auszuwählen, die in das Bild passen. “Grau” ist natürlich kein Konzeptalbum aber wir haben uns um eine bestimmte Stimmung und Atmosphäre bemüht. Vielleicht kommen die anderen Songs noch irgendwie raus aber das können wir jetzt noch nicht sagen.

Ohne jetzt zu sehr zu spoilern, aber mir fällt auf, dass die Songs auf dem Album in der Breite sehr viel düsterer und melancholischer geworden sind als davor. Ist es den „grauen“ Zeiten geschuldet, in welchen wir uns gerade befinden und die sich täglich mehr ins „schwarze“ bewegen? Oder wie dürfen wir euch bzw. das was euch in den Songs bewegt verstehen?
Neben allem Alltagsbezug, der sicherlich vorhanden ist, finde ich es immer interessanter, wenn auch etwas Allgemeingültiges zurückbleibt. Was unsere Zeit natürlich prägt ist, dass wir alle täglich in unseren Echokammern hängen, das gab es früher vielleicht nicht. Spannend ist auch, dass nach einer Zeit – so 90er bis 00er Jahre – wo gefühlt Themen wie Krieg oder Rassismus fast überwunden schienen, plötzlich Dinge passieren, die man vorher nicht mehr für möglich gehalten hat. Aber auch da gibt es natürlich Wellen und leider sind diese Dinge nicht überwunden und gerade wieder sehr aktuell. Irgendwo habe ich das Zitat aufgeschnappt “Ich dachte, wir wären schon weiter” und das spiegelt leider genau meine Gedanken, wenn ich auf manche Entwicklungen schaue. Auf der anderen Seite haben wir mit der Band aber nie poppiger geklungen, keine Ahnung wie das jetzt zusammenpasst.

Besonders angetan war ich auch schon bei „Illegale Farben“ von dem Stilmix zwischen NDW, New Wave und Punk, den ich so in deutscher Sprache vorher eigentlich noch nie gehört hatte – quasi ein Markenzeichen von euch?
Das hat sich so entwickelt und wurde uns mit dem ersten Album auch so zugeschrieben. Man kann jetzt natürlich in den Künstler-Stereotyp verfallen und Schubladen kategorisch ablehnen. Wenn es manchen Leuten hilft, bitteschön. Wichtig ist uns nur, dass wir keine Retro- oder Vintage-Nummer machen, es geht nicht darum eine bestimmte Zeit nachzuahmen, sondern etwas neues zu machen.

Schon der Opener „Marsch ins Verderben“ klingt so wunderbar 80er NDW-mäßig… hier speziell dein Gesang – alles ein bisschen derber, aber textlich wie bei vielen eurer Nummern mit ernstem Hintergrund. Wenn ich mir Songs wie „Sirenen“ oder auch „Problemzone Mensch“ anschaue, wie politisch kann bzw. muss eine Band eigentlich deiner Meinung nach in der heutigen Zeit sein?
Ich glaube diesen Diskurs haben klügere Musiker und Künstler schon umfassender geführt als ich das hier kann. Es geht uns aber schon darum, mal einen Punkt zu machen und Haltung zu zeigen. Das darf natürlich nicht platt sein und wir wollen auch keine Band der stumpfen Parolen sein. Wir fangen also erstmal bei uns an, bevor wir über andere urteilen…

Was mir besonders zusagt, sind die Gegensätze zwischen teilweise fröhlichen und treibenden Beats und den im Gegensatz dazu doch schon sehr persönlichen sowie düsteren Texten, wie zum Beispiel bei „Was passiert“ – wer ist bei euch dafür zuständig, wie ist das überhaupt… erst die Melodie und dann die Texte, oder umgekehrt?
Auch bei der Platte haben wir wieder sehr fokussiert an den Songs gearbeitet. Am Anfang gibt es immer ein Thema und das ist immer musikalisch wie inhaltlich. Daraus erarbeiten wir dann die Details. Wir greifen dabei auf eine Sammlung von Musikfetzen und Texten oder Themen zu, die wir über die Zeit sammeln. Am Ende entstehen die Songs also fast immer im Kollektiv und auch wenn jeder seine Aufgabe in der Band hat, kann er doch auf alles Einfluss nehmen. Da werden die Diskussionen auch schon mal hitziger geführt.

Was lustig ist, ich habe das Album erst gehört und dann den Promo-Zettel gelesen… und wir waren beide unabhängig voneinander derselben Meinung, „Die große Stille“ klingt als ob ihr längere Zeit zusammen mit Love A geprobt hättet – Zufall oder Absicht? 😉
Der Love-A-Vergleich liegt vielleicht für manche auf der Hand, gerade weil wir in einem ähnlichen, musikalischen Spektrum befinden und auch auf dem gleichen Label. Uns freut das natürlich, auch weil wir die Jungs kennen und auch schon zusammen auf Tour waren aber Love A war nicht im Hinterkopf als wir den Song gemacht haben. Dann hatte vielleicht eher “Der Goldenen Handschuh” von Heinz Strunk einen größeren Einfluss.

Mit „Kein Problem“ habt ihr ja schon seit drei Wochen die erste Single samt Video draußen… hier wird ordentlich Gas gegeben – wieso habt ihr euch für diese Nummer als erste Auskopplung entschieden?
Wir machen das Ganze vor allem, damit es für uns spannend bleibt. “Kein Problem” war einer der Songs die sehr intuitiv aus dem Bauch entstanden sind, das fanden wir spannend für die erste Auskopplung. Die nächste Single wird schon wieder ganz anders.

Das neue Album erscheint erneut über die feinen Menschen von Rookie Records. Wie habt ihr euch damals gefunden – wie ist es zu diesem Deal mit Jürgen gekommen?
Jürgen und Thilo kennen sich schon lange und Rookie hat die Alben von Genepool rausgebracht, wo Thilo mit Jens Illegale Farbenspielt. Da Jürgen unsere Demos direkt gut fand, hat er auch den eigentlichen Anstoß zur ersten Platte gemacht, wir hätten vielleicht noch was gewartet. Aber jetzt sind wir natürlich mehr als froh schon das zweite Album zu machen und schätzen es sehr bei einem so familiären Label zu sein.

Wenn ich das richtig sehe, habt ihr ja alle normale „nine-to-five“ Jobs und wahrscheinlich auch Familie. Im Hinblick auf die anstehende Tour, wie lässt sich das pompöse Musik-Geschäft mit dem „normalen“ Leben außerhalb des Glamours vereinen?
In der romantischen Vorstellung vieler Menschen ist es natürlich sehr glamourös in einer Band zu spielen. In Wirklichkeit sind wir Meister im Tetris, um unser Zeug in den Van zu stapeln, hängen stundenlang auf der Autobahn und müssen nach mancher Show ganz schnell von der Bühne damit der DJ den Laptop aufbauen kann. Aber es passieren ganz viele tolle Sachen und wir lernen tolle Menschen vor und hinter der Bühne kennen. In vielen Clubs, in denen wir gespielt haben, war es wie nach Hause kommen und du merkst, dass da Herzblut ist. Das ist der gleiche Motor für uns, sonst würden wir das nicht machen.  

Apropos Tour… im Oktober kommt ja wie gesagt das neue Album, im November folgt dann die Tour. Wer wird euch bei den anstehenden Gigs begleiten? Im Dezember seid ihr dann auch wieder im Druckluft in Oberhausen – geiler Gig übrigens damals! – sind dann wieder die Jungs von Endokard dabei? 😉
Im Druckluft hat es uns sehr gut gefallen und es war auch toll, dass unsere Proberaumnachbarn von Endokard dabei waren. Dieses Mal werden wir mit HeyRuin  und Liebe.Frau.Gesangsverein wieder mit lieben Menschen aus Köln unterwegs sein. Im Druckluft sind wir auch wieder, das freut uns sehr. Außerdem spielen wir auf dem Rookie Fest in Hamburg am 11. November.

Sehr gut gefällt mir auch „Schneeweiß“… wie kommt es zu einer so hellen „legalen“ Farbe in all der Finsternis?
Hier hat der Arbeitstitel von der ersten Idee bis zum fertigen Song überlebt, sowas kommt vor. Einen größeren Plan gibt es hinter den Farbcodes nicht, auch wenn es eine gewisse regelmäßigkeit von Farben als Songtitel gibt. Das liegt vielleicht daran, dass wir auch sehr viele visuelle Einflüsse aus anderen künstlerischen Disziplinen aufnehmen. Vielleicht ist es aber auch nur ein Zufall. Zur nächsten Platte können wir dann ja mal was in Pink oder Türkis machen…

Zum Ende hin würde ich gerne noch ein paar kurze Sätze in den Raum werfen, die du ganz nach Belieben spontan ergänzen kannst…

    • Köln ist die coolste Stadt der Welt, weil…

das hier immer alle in Liedern singen und dann muss da wohl was dran sein.

    • Eine Frage die im Bezug zu deiner Heimatstadt nicht fehlen darf: Kölsch oder Pils… oder gar Alt? 😉

Hier verläuft eine große Spaltung in der Band, denn außer mir sind fast alle eher Pilstrinker. Aktuell haben wir aber unsere Rotweinphase, liegt vielleicht am Alter. Zu Altbier kann ich nichts sagen, zumindest nichts Gutes…

    • In den letzten beiden Jahren haben sich sehr viele geile Musiker für immer vom Globus verabschiedet… wessen Tod hat dich ganz besonders getroffen bzw. betroffen gemacht?

Da muss man mittlerweile echt überlegen. Spontan würde ich Bowie sagen, das muss man wohl nicht weiter erläutern. Vielleicht aber noch Peter Behrens, der war Drummer von Trio und leider eine geniale aber auch tragische Figur.

    • Was würdest du gerne am Abend des 24. September (Bundestagswahl 2017) als Schlagzeile lesen?

Klimawandel beendet, Hunger auf der Welt gestoppt, Weltfrieden hergestellt und Illegale Farben auf Platz 1 der Charts.

    • Und abschließend vielleicht noch ein paar liebe Worte für den allseits beliebten Herrn Trump? 😀

Es gibt da so einen roten Knopf, bitte nicht drücken!

 

Vielen Dank für deine Zeit, ich hoffe wir sehen uns demnächst mal wieder bei einem eurer anstehenden Gigs… vielleicht ja im November im Tower in Bremen auf ein Pilschen, gell?!
Sehr gerne…

 

Titel – Grau
01. Marsch ins Verderben
02. Viel zu viel
03. Sirenen
04. Was passiert
05. Die große Stille
06. Ein kurzer Augenblick
07. Kein Problem
08. Schneeweiß
09. Problemzone Mensch
10. Frequenz
11. Willkommen im Tunnel
12. Moor

 

ILLEGALE FARBEN auf Tour:
09.11.17 Münster, Gleis 22
10.11.17 Bremen, Tower
11.11.17 Hamburg, Hafenklang (Rookie Fest)
17.11.17 Karlsruhe, Alte Hackerei
18.11.17 Köln, Blue Shell
23.11.17 Nürnberg, Club Stereo
24.11.17 Berlin, Cortina Bob
01.12.17 Siegen, VEB
08.12.17 Oberhausen, Druckluft

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