Interview mit The Antikaroshi – eine Symbiose aus drei Individuen

Vor nicht allzu langer Zeit hat das Trio The Antikaroshi aus Potsdam sein neues Album mit dem neckischen Titel „11 songs mostly written and played on wednesday evenings by a band called The Antikaroshi“ veröffentlicht. Es war bereits ihr viertes nach dem Debüt „Crushed Neocons“ von 2009 und den beiden Nachfolgern „per/son/alien“ (2010) und „In P.O.P. we rust” (2013). Jedes für sich bietet feine und interessante Musik im Spannungsfeld zwischen Alternative und Postrock mit spirituellen DIY-Punk-Anleihen und jede Menge Freigeist. In unserem Interview lassen wir Gitarrist und Sänger Christoph zu Wort kommen, der nur allzu gerne unsere Fragen rund um die Band beantwortete.

The Antikaroshi - 11 Songs Mostly Written And Played On Wednesday Evenings By A Band Called The Antikaroshi

The Antikaroshi bringt man immer wieder in Verbindung mit der DC-Hardcore-Szene der 90er und Bands wie Fugazi. Rein musikalisch schlägt sich dieser Einfluss – meiner Meinung nach – allerdings nicht mehr in eurer Musik nieder. Oder doch? Fühlt ihr euch nach wie vor irgendwie mit dieser Underground-Szene verbunden?

Danke! Diesen Bezug verstehen wir als Kompliment. Und genau: ich glaube mittlerweile schrauben wir einfach an unserem eigenen Ding. Ich denke auch nichts anderes hatten die Macher von damals im Sinn. Dass wir mit dieser Musik kommerziell nie erfolgreich sein werden ist uns ja bewusst. Was unsere DIY-Sozialisation anbelangt: wir fühlen uns dieser Szene immer noch zugehörig, veranstalten ab und an Konzerte, aber einen Effekt auf die Band hat das wenn, dann eher indirekt.

Christoph, ich kenne eure Band jetzt schon ein paar Jahre. Aber aus eurem Bandnamen bin ich noch nie richtig schlau geworden. Anti als Ausdruck einer „dagegen“-Haltung und Karoshi als japanischer Begriff für ein Überarbeiten bis in den Tod. Eigentlich eine interessante Kombination, wie eine Art Negierung der kranken Leistungsgesellschaft.

Ja so könnte man das sagen. Ursprünglich war das der Name des letzten Songs unserer vorherigen Band und irgendwie mochten Dirk und ich die Idee damit dann einfach weiterzumachen. Damals dachten wir: es sollte auch eine gesunde Portion Größenwahn für eine Band aus einem Berliner Vorort mit durchklingen. Es gab aber auch noch eine lustige Episode am Rande: Als wir vor Jahren mit der japanischen Band LITE zwei Konzerte spielten, versuchten wir denen krampfhaft zu erklären was der Name bedeutet. Die haben aber nur Bahnhof verstanden, was schlicht und einfach an der falschen Betonung lag. Als sie es dann endlich verstanden haben, meinten sie nur, dass man das auf dem O betont, also Karoooooshi.

Die Aufnahmen von „11 Songs…“ waren schon fast ein Jahr her, bevor sie veröffentlicht wurden. Dadurch habt ihr bestimmt schon einen gewissen Abstand gefunden. Welchen Platz hat es in eurer Diskografie inne und seid ihr immer noch zufrieden mit dem Ergebnis?

Nach „In P.O.P. we rust“ wollten wir einfach neu ansetzen. Es gab ja nicht wirklich eine Tour zu der Platte, was auch mit persönlichen Terminproblemen zu tun hatte. Wir hatten dann einen guten Freund gefragt mitzuspielen, was dann aber einfach nicht richtig funktionieren wollte. Da war dann schon über ein Jahr vergangen. Schlussendlich mussten wir erkennen, dass The Antikaroshi eben die Symbiose dieser drei Charaktere ist. Im Endeffekt sind wir schon ziemlich zufrieden mit „11 Songs…“!

Was denkst Du, welchen Stellenwert wird die Platte künftig in Eurer Diskografie einnehmen?

Welchen Stellenwert das jetzt insgesamt einnimmt ist schwer zu beurteilen, da ich persönlich die Platte frühestens in einem Jahr wieder höre.

Der Albumtitel lässt eine entspannte Arbeitsweise vermuten. Gleichzeitig wirkt er so, als wäre The Antikaroshi eine Art Ritual für euch, ein wöchentliches Treffen mit dem Ziel Musik zu erschaffen. Welche Priorität genießen diese Tage in der Mitte der Woche in euren Leben? Ist die Band noch ein nettes Hobby, oder doch etwas mehr?

Es ist einfach ein Fixpunkt terminlich wie auch in unserem tagtäglichen Leben und ja auch ein wenig Ritual über die Jahre geworden. Das heißt, es wird erstmal ein wenig geschnackt und auch mal ein Bier getrunken bevor es dann wirklich losgeht. In erster Linie sind wir schon so was wie eine Familie. Eigentlich läuft auch immer ein Aufnahmegerät bei den Proben und am Ende fügt sich alles zu einem Ganzen. Ob das nun ein oder fünf Jahre dauert ist dabei egal. Der Titel beschreibt einfach unser derzeitiges Bandleben. Und das hat sich darauf eingepegelt mittwochs zu proben und dann auch mal ein ganzes Wochenende wegzufahren, um wirklich den Kopf für die Ideen frei zu kriegen. Ganz am Ende gilt es dann den Schwung nicht zu verlieren und möglichst authentisch aufzunehmen.

Dann kann man The Antikaroshi als kreatives Hobby von Euch ansehen?

Hobby? Passion!

Das Album an sich und vielleicht der eine oder andere Song – ich denke jetzt speziell an den Opener „UR“ – wirken vielleicht etwas unfertig, aber definitiv ungehobelt und authentisch. War Spontanität bei dieser Platte besonders wichtig oder resultierte die knappe Studiozeit von lediglich zwei Tagen aus anderen Dingen?

Das ist ja lustig, dass „UR“ für Dich unfertig klingt. Bei diesem Song ging es wirklich darum alles auf das absolut Wesentliche zu komprimieren, also Text und Musik. Und ja: da ist dann eben nach 1:30 Minuten alles gesagt! Vielleicht lässt die Livesituation beim Aufnehmen das auch ein wenig so klingen, aber wie gesagt, das war ja auch so beabsichtigt und uns ging es dabei eher um work-in-progress und da gibt‘s dann definitiv Kompromisse – auch finanzieller Art – und den Punkt an dem man sagt „OK, was soll es – lassen wir so“. Ich glaube, momentan interessiert uns dieser Perfektionismus nicht. Da sind wir halt doch im Herzen eine Punkband.

Anders gefragt: Wann ist ein Antikaroshi-Song „fertig“? Was muss er haben, ein gutes Gefühl?

Hm, ich tendiere jedenfalls momentan eher in die Richtung, dass er für mich live umsetzbar sein muss. Das Gefühl bekommen wir oft erst ein halbes Jahr später und manchmal lassen wir Parts auch bewusst offen, weil uns das sonst zu langweilig wird. Das heißt, auch hier hört man auf der Platte eine Momentaufnahme.

Die Platte erschien auch nur als ebensolche, als Vinyl-LP, und natürlich digital, nicht als CD. Ist für euch dieses Format tot oder ist es tatsächlich eine Art Zielgruppenorientierung? Für besondere Musikliebhaber, die heute eh lieber zur schwarzen Rille greifen, einem vermeintlich „echten“, langlebigen Format?

Ja, definitiv! Ich selbst kaufe eigentlich nur Vinyl. Zielgruppenorientierung? Keine Ahnung. Für mich ist es eher befremdlich, dass zum Beispiel die Pet Shop Boys eine Special-Limited-Edition-Vinylbox wiederveröffentlichen, für utopische Preise. Fair enough. Am Ende ist Vinyl für uns DAS Format, auch wenn das aus finanzieller Sicht ruinös ist. Deshalb liebe/r Leser/in: kauft unsere Platte!

Euer vorletztes Album „per/son/alien“ beschäftigte sich realen und irrealen Menschen, die auch metaphorisch für oder gegen etwas stehen, während die Textideen von „In POP we rust“ auf der Sammlung Prinzhorn fußten. Haben die einzelnen Titel von „11 Songs…“ auch eine Art übergeordnetes Thema, mit dem sie sich beschäftigen oder auch welchem Fokus liegen die Texte von The Antikaroshi anno 2015 bzw. 2016?

Bei der „per/son/alien“, puh das ist schon wieder so lange her. Ich denke jede Zeit hat ihre Themen, Menschen, Bücher, die einen beschäftigen. Und dann versucht man diesen Faden weiter zu spinnen. Ich glaube bei „11 Songs…“ gibt es diese Themen auch, nur nicht mit dem Anspruch das alles zusammenzuführen. Es ist aber anders herum auch bezeichnend, dass mir als demjenigen der die Texte schreibt, es zum einen nicht als unmittelbar wichtig für The Antikaroshi anno 2015/16 erschien und mir zum anderen schlicht die Zeit fehlt, um das in einem für mich vernünftigen Rahmen zu bearbeiten. Das kann beim nächsten Album schon wieder ganz anders sein.

In Sachen Eigenmarketing halten sich The Antikaroshi recht bedeckt. Nicht allzu viele Nachrichten auf eurer Webseite und bei Facebook ist die Band zum Beispiel gar nicht erst vertreten. Zudem geht ihr auch sonst mit Informationen rund um die Band spärlich um, zum Beispiel erfährt man nicht eure vollen Namen.

Da steckt gar nicht so ein Plan dahinter, sondern das entspringt eher unserm Naturell. In erster Linie geht es ja um unsere Musik. Diese sollte auch für sich stehen. Facebook und deren Politik, ihren Ansatz finden wir in diesem Falle einfach scheiße! Dass das unserem „Eigenmarketing“ nicht unbedingt guttut, ist uns durchaus bewusst. Aber im Gegensatz zu unseren Brotjobs müssen und wollen wir uns hierbei eben nicht einem „Wettbewerb“ unterwerfen. Die Band ist ein Produkt von drei Individuen, ein Mikrokosmos der uns wie schon erwähnt relativ „heilig“ ist. Da sind sogar unsere Namen nicht wirklich wichtig. Außerdem: Für diese Platte gibt es sogar ein No-Budget-Video bzw. eines welches ein Freund zu einem Song gedreht hat. Immerhin, das ist doch schon mal was. (lacht) [Anm.d.Red.: eines der beiden Filmchen konntet ihr als exklusive Videopremiere zuerst bei uns sehen]

Als „Spezialisten-Band“ erreicht ihr somit nicht so viele Menschen. Aber ich denke ihr seht euch auch nicht als Botschafter, trotz der sozialkritischen Inhalte, die ihr in den Texten behandelt.

Wir sehen uns nicht als Botschafter. Nichtsdestotrotz versuchen wir uns an bestimmten Themen zu reiben – auch auf die Gefahr hin zu scheitern – und haben dort auch eine klare Meinung. In der Band wird das aber eher kryptisch verhandelt. Manchmal reicht dort schon ein Wort oder Satz aus wie zum Beispiel bei „Lovers Against Mass Surveillance (L.A.M.S.)“, wo es ja im weitesten Sinne um Überwachung geht. Das reicht dann von der Anspielung zur Initiative „Authors for peace“, über das im öffentlichen Raum ausgetragene Liebesleben von heranwachsenden „Mammoni“, bis zu Edward Snowden. Es geht dann eher um ein Bild, eine Assoziationskette, die wir anschieben wollen. Da darf dann jede/r was draus machen.

The Antikaroshi live im Jahr 2010
The Antikaroshi live im Jahr 2010

The Antikaroshi gibt es jetzt doch schon ein paar Jahre, euer Debüt habt ihr bereits 2009 veröffentlicht. Auch seid ihr keine 20 mehr. Hat man da noch festgelegte Ziele, die man als Band erreichen möchte oder ruht ihr in euch mit dem aus, was The Antikaroshi erreicht haben?

Also Ziele haben wir definitiv. Jede Platte soll für sich stehen und muss uns selbst begeistern. Das gilt für den gesamten Prozess. Am Ende muss alles schlüssig sein. Das Wort „ausruhen“ ist mir da eher zuwider. Da gibt es ja genügend Negativbeispiele. DEN Masterplan gibt es bei uns wahrscheinlich auch nicht. Solange wir alle 100%ig dabei sind, geht’s weiter.

Ihr tretet als Band nicht allzu viel live auf, bzw. seid nicht länger tourend unterwegs. Ist das Livespielen vor Leuten trotzdem eine wichtige Komponente für die Band oder seid ihr lieber die Tüftler im Proberaum?

Die Live-Konzerte sind uns schon wichtig. Es ist nur leider so, dass ich mit meiner Punkband, in der ich Schlagzeug spiele, ständig Anfragen bekomme während es für The Antikarohi recht schwierig ist. Stichwort: Spartenmusik. Dazu kommt das wir was das Booking betrifft irgendwie (altersbedingt?) raus sind. Vielleicht sollten wir dort noch etwas Fremdexpertise was die Zielgruppe betrifft einholen. (lacht) Ne, im Ernst: falls das jemand liest der was mit Booking zu tun hat – schreibt uns an! Wir sind unkompliziert!

Also, ihr lieben Booking-Leute, ihr habt gelesen, was zu tun ist. The Antikarohsi live – das weiß der Redakteur aus eigener Erfahrung – ist schon schön. Wäre toll, wenn man öfter in den Genuss kommen könnte!

 

Homepage der Band
Bandcampseite von The Antikaroshi