Hard-/Melodic-Rock Special mit Pussy Sisster, Outloud und Marina Edoff

80er Jahre, Hardrock, Pudelfrisuren und hochtoupierte Frisuren mit Haarspray-Overkill, breitbeinige Posen mit gockelhaftem Habitus, adrenalingeschwängerte Texte fast ausschließlich über heiße Damen und den Beischlaf mit ihnen und das Leben als Rock’n’Roller, übertrieben bunt und schon fast aufdringlich gut gelaunt. Tiefgang war da nicht so wichtig – Hauptsache es rockt! Tja, so mancher erinnert sich nicht zu gerne an diese Zeit und belächelt sie. Aber hey, was ist falsch daran, auch mal das Hirn auszuschalten, eine Buddel Bier zu köpfen und einfach die Sau rauszulassen – meinetwegen auch auf ironische Art und Weise. Totzukriegen sind solche Bands nämlich nicht. Im Gegenteil, gerade in den letzten Jahren erleben sie eine gewisse Renaissance. Warum also nicht den Blick etwas schweifen lassen und mal in die zweite und dritte Reihe des Hard-/Melodic-Rock-Lagers schauen. Aus diesem Anlass griffen wir uns drei aktuelle Exemplare mit ihren neuen Veröffentlichungen heraus.

 

Pussy Sisster – Arrogance (16.10.2015, Borila ReKords)

Pussy Sisster - ArrogancePussy Sisster wurden schon vor geschlagenen 13 Jahren von den Brüdern Alex und Chris Nad im tiefsten Baden gegründet, um dort einen Hauch von Hollywood zu verbreiten. Vorbilder waren eindeutig Bands wie Mötley Crüe. Von der optischen Haarspray-Schiene kam man etwas weg, die Musik ist aber nach wie vor im damaligen Glam-Metal zu verorten. Große Erfolge blieben trotz mehrerer Veröffentlichungen bisher aus. Was aber nicht am Willen der Band scheiterte. Denn diese ist sich für fast nichts zu schade. Nicht nur einmal lieferte man (lustige) Auftritte bei TV-Sendungen wie „Goodbye Deutschland“ ab.
Aber zurück zur Musik. „Arrogance“ heißt das neue Album der Band. Zehn Eigengewächse sowie eine (unentschlossen-durchwachsene) Coverversion von Frank Sinatras „My Way“ findet man darauf. Rifflastigen Hardrock, wie man ihn gut kennt, haben Pussy Sisster zu bieten – verpackt in knackige Songs mit eingängigen Hooklines. Nummern wie „Monster“, „Vampires“ oder das hittige „Freak Show“ sorgen für Spaß. Die mit Bon Jovi sozialisierte Balladenfraktion wir mit „Memories“ und „Legends never die“ bedient. Wirklich arrogant klingt die Band gar nicht. Eher schon etwas bieder. Ich möchte schon fast sagen provinziell. Einige Songs (z.B. „Rock Inferno“, „Rock now“) versprechen zudem mehr als sie bieten.
So ist „Arrogance“ nur etwas für absolute Genrefanatiker, die einfach nicht genug von dem Ganzen haben können. Schade eigentlich. Denn irgendwie ist diese Band auf ihre Art knuddelig und unterhaltsam – nur eben nicht unbedingt auf CD.

Punktebewertung: 2,8

Trackliste:

Pussy Sisster:
1. Monster
2. No Way Out
3. Freak Show
4. Memories
5. Rock Inferno
6. Arrogance
7. Take Two
8. Legends Never Die
9. Rock Now
10. Vampires
11. My Way

 

Outloud – Destination: Overdrive (23.10.2015, Roar!)

Outloud - Destination OverdriveBühne frei für die Griechen Outloud! Die Band wurde vom Mulitinstrumentalist und ehemaligen Keyboarder der Powermetal-Band Firewind Bob Katsionis gegründet. Traditioneller Hardrock ist das Metier in dem man sich bewegt. Das Ganze klingt wie eine gut abgehangene Mischung aus TNT, Night Ranger und Mötley Crüe, hinzu kommt ein Touch AOR-Verständnis der Marke Toto und Foreigner oder auch mal eine etwas härtere Herangehensweise. Also durchaus zeitlose Mucke – trotz ihrer gewissen 80er-Affinität.
„Destination: Overdrive“ ist eine Werkschau der griechischen Band mit ihrem amerikanischen Sänger. Drei Alben und eine EP gehen auf das Konto von Outloud. In Genrekreisen wurde das bisherige Schaffen auch recht wohlwollend aufgenommen. Hört man sich durch diese 13 Eigengewächse sowie der durchaus passablen Coverversion des alten Pointer-Sisters-Heulers „I’m so excited“ versteht man auch warum. Die Band badet durchaus in dem einen oder anderen Klischee, übertreibt es aber nicht zu sehr. Polierte Hardrock-Songs mit Keyboard-Unterstützung und großen Melodiebögen wie „One more time“, „Like a dream“, „The night the never ends“ wissen durchaus zu gefallen, auch wenn sie nicht die Überhits sind. Fein ist es auch, wenn man, wie bei „We run“, auch mal Richtung Metal schielt oder bei „A while to go“ auf sportliches Van-Halen-Geschredder macht. Immer wieder dabei hervor stechend: der sämige Gesang von Chandler Mogel.
Diese Platte kann man sich durchaus mal geben. Allerdings ersetzt sie die bisherigen Alben der Band. Denn viel mehr – so denke ich – braucht man von Outloud nicht. Trotzdem: ein Tipp für Traditionalisten.

Punktebewertung: 3,8

Trackliste:

1. I’m So Exited
2. We Run
3. I Was So Blind
4. Waiting For Your Love
5. Isolation Game
6. Tonite
7. One More Time
8. Like A Dream
9. Broken Sleep
10. Falling Rain
11. A While To Go
12. A This Broken Heart
13. The Night That Never Ends
14. Bury The Knife

 

Martina Edoff – Unity (16.10.2015, Into Records)

Martina Edoff - UnityMan traut es sich fast nicht zu schreiben. Aber in den frühen 90ern war die hübsche Schwedin Maritna Edoff als Studiosängerin in ekligen Pop-Produktionen wie Dr. Alban und Ace of Base beteiligt. Besser: später war sie Mit-Gründerin der Glam-Metalband The Poodles. Mittlerweile macht sie allerdings die Musik, die ihr gefällt. Und das ist in diesem Falle melodischer (Hard-)Rock in der Tradition von Heart, Robin Beck oder Lee Aron.
„Unity“ ist ihr zweites Album. Produziert wurde es von Tobias Lindell (u.a. Europe, Mustasch, Hardcore Superestar) und geschrieben und eingespielt mit der Band H.E.A.T. Besonders letzteres schlägt stark durch. Denn der Sound der Platte ist durchaus knackig, die Rhythmen treibend und das Ganze klanglich recht kraftvoll. Chefin im Ring ist allerdings ganz eindeutig Frau Edoff, die mit ihrer kraftvollen Stimme und ihrem schwedischen Popverständnis mitreißt. Die Platte bietet einen wahren Melodienregen, dem man sich nicht so einfach entziehen kann – egal ob es sich um Uptempo-Songs oder Power-Balladen handelt.
Wenn man dem Ganzen etwas ankreiden kann, dann höchstens das etwas gleichförmige Songwriting mit seiner starken Refrain-Fixierung. Denn die Songs kommen ohne Umschweife sehr schnell auf den Punkt. Eingängig, aber ohne wirkliche Ecken und Kanten. Aber das wird man von dieser Musik auch nicht wirklich erwarten. Wer sich für harmonischen, nicht zu altbacken produzierten Melodic-Rock mit einer wirklich großen Stimme erwärmen kann, ist hier genau an der richtigen Stelle!

Punktebewertung: 4,1

Trackliste:

1. Unity
2. Never Let You Down
3. World Has Gone Mad
4. Spirit of Light
5. Come Alive
6. I Am Mining
7. Love Keeps Turning Away
8. Moment of Truth
9. Sound of Thunder
10. This Love Is Crazy
11. Caught In The Middle